Strukturwandel Spitäler Die Corona-Pandemie hat in den Spitälern zahlreiche Strukturveränderungen ausgelöst. Die meisten werden nicht bleiben, einige jedoch schon. Ein genereller Trend für grössere Anpassungen zeichnet sich aber noch nicht ab.
Mireille Guggenbühler
Im Frühling hat das Inselspital in Bern innert Kürze fast 1000 Parkplätze für die Mitarbeitenden rund um das Inselareal bereitstellen müssen. Dies, weil die Spitalangestellten aufgefordert wurden, aufgrund der Corona-Pandemie auf den öffentlichen Verkehr zu verzichten. Mittlerweile wurde diese Regel wieder aufgehoben – und damit auch die Parkplätze. Gut möglich, dass diese in den nächsten Tagen wieder bereitgestellt werden.
Unweit der Parkplätze, vor dem Notfallzentrum, steht seit dem Frühling zudem der sogenannte Covid-Track in einem Container, der die Abklärung und Testung von täglich bis zu 150 Personen erlaubt. Dieser hat sich gemäss Angaben des Inselspitals sehr bewährt und wird bestehen bleiben.
Die erste Welle der Corona-Pandemie hat aber nicht nur von aussen sichtbare Änderungen gebracht. So wurde die Zahl der Beatmungsplätze durch eine Erweiterung der Intensivstation beträchtlich erhöht oder einige zusätzliche Beatmungsgeräte «eigens für den Pandemiefall» angeschafft, wie das Inselspital auf Anfrage schreibt.
«Wir sind zwar überzeugt, dass es den physischen Kontakt der Mitarbeitenden braucht, gleichzeitig haben wir aber festgestellt, dass es in gewissen Bereichen gar nicht so viele Rapporte oder Sitzungen braucht und es trotzdem funktioniert.»
Philipp Lutz, Unternehmenskommunikation, Kantonsspital St. Gallen
Änderungen in der Organisationsstruktur
Auch im Kantonsspital St. Gallen wurden während der ersten Corona-Welle zahlreiche Massnahmen getroffen. Zwei Beispiele: Das Anästhesiepersonal besuchte interne Schulungen, um vorübergehend auch auf der Intensivstation eingesetzt werden zu können. Die Sitzungskultur wurde den Gegebenheiten angepasst: Es gab weniger Rapporte oder die Sitzungen wurden gleich auf digitale Kanäle verlegt.
Das sind nur fünf Beispiele von vielen kleineren oder auch grösseren Änderungen, welche die beiden Spitäler im Frühling getroffen haben, um die Situation rund um die Pandemie bewältigen zu können.
Und so war und ist das im Moment landesweit: Die aktuelle Situation erfordert Flexibilität, vorübergehende Anpassungen und Massnahmen in vielen Bereichen. Oder wie es der Spitalverband H+ auf Anfrage ausdrückt: «Die Betriebe haben ihre Struktur nach der ersten Welle so angepasst, dass sie rasch in der Lage sind, sich auf dynamische Entwicklungen der Pandemie einzustellen.»
Was bleibt, was geht
Doch welche dieser Änderungen in den Spitälern werden wohl bleiben und welche werden nach Abklingen der nächsten Welle wieder verschwinden?
Medizinische Geräte, die angeschafft worden sind, dürften nach Abklingen der Pandemie kaum einfach so wieder entfernt werden. Räume, die erweitert oder in Modulform aufgebaut worden sind (wie dies beispielsweise im Inselspital der Fall war), werden in normalen Zeiten vermutlich umgenutzt werden, um wenn nötig raschmöglichst wieder eingesetzt werden zu können.
Und auch Änderungen bei der Organisation oder den Abläufen könnten bestehen bleiben. So hat sich etwa im Kantonsspital St. Gallen Folgendes gezeigt: «Wir sind zwar überzeugt, dass es den physischen Kontakt der Mitarbeitenden braucht, gleichzeitig haben wir aber festgestellt, dass es in gewissen Bereichen gar nicht so viele Rapporte oder Sitzungen braucht und es trotzdem funktioniert», sagt der Kommunikationsverantwortliche Philipp Lutz.
Wohin geht der Trend?
Wie sich das Inselspital und das Kantonsspital St. Gallen auf die Pandemie vorbereitet und die Strukturen angepasst haben, das dürfte in vielen Spitälern ähnlich und mit vergleichbaren Massnahmen erfolgt sein. Doch: Lassen sich aus den dafür erfolgten Anpassungen bereits erkennbare Trends struktureller und tiefgreifender Veränderungen ablesen, die bleiben und den Spitalalltag auch im Normalfall bestimmen könnten? Seitens des Spitalverbands H+ stellt man noch keine allgemeingültigen Trends fest: «Dazu ist es noch etwas zu früh.»
Dennoch hat der Verband schweizweit Tendenzen festgestellt: «In der ambulanten Versorgung gibt es vermehrt Leistungen auf Distanz, beispielsweise via Telefon oder Videotelefonie. Und die psychiatrischen Institutionen haben Versorgungsformen entwickelt bzw. angepasst wie zum Beispiel das Home Treatment, um Patienten optimal zu versorgen», schreibt der Verband.
Im Frühjahr, bei der ersten Corona-Welle, habe sich zudem die Zusammenarbeit öffentlicher und privater Institutionen, Spitäler und Kliniken bewährt, zudem werde auch auf regionale Koordination gesetzt wie beispielsweise in der Westschweiz und in Zürich, hält der Verband H+ fest. Es ist gut möglich, dass sich aus diesen Zusammenarbeitsstrukturen während der Pandemie in Zukunft auch weitere Projekte in anderen Themenbereichen ergeben könnten.
Neues einführen
Eine solche Zusammenarbeit vereinfachen könnte dabei eine nationale Übersicht. Oder wie es der Spitalverband H+ formuliert: «Es wäre zentral, ein nationales Informationssystem mit tagesaktuellen Daten zu Bettenkapazitäten, Personal und Material zu haben, um die Situation in den Spitälern besser beurteilen zu können, aber auch damit sich die Spitäler zusammen mit den Kantonen und zwischen den Regionen besser koordinieren können. Nur so kann sichergestellt werden, dass Patienten auch bei steigenden Fallzahlen und Hospitalisationen gut medizinisch versorgt werden können.» Kurzum: Spitäler mit wenig Covid-Fällen könnten jenen Spitälern aushelfen, die Gefahr laufen, nicht mehr genügend Kapazitäten zu haben. Ein solches Informationssystem gebe es bis anhin noch nicht, hält der Verband fest, obwohl das Epidemiengesetz dies vorsehe.
Denkbar ist: Gibt es dieses System erst einmal, könnte es auch für andere Zwecke eingesetzt werden, beispielsweise bei einer starken Grippewelle.
Wenn die Pandemie also bis anhin auch noch keine Trends für grosse Veränderungen in den Spitalstrukturen geschaffen hat, so dürfte doch die eine oder andere Massnahme vielleicht weitere Projekte nach sich ziehen.
Strukturänderungen brauchen Personal
Dynamisch und flexibel, so haben die Spitäler auf die erste Corona-Welle reagiert. Allerdings ist das nur möglich, wenn auch genügend ausgebildetes Personal vorhanden ist, das auch sinnvoll eingesetzt werden kann. Erweitert ein Spital im Pandemiefall beispielsweise seine Intensivstation, dann braucht es das entsprechende Pflegepersonal dazu. Gerade im Intensivbereich fehlt dieses allerdings schon länger, wie der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK bereits mehrmals öffentlich betont hat. Generell drohe ein Pflegenotstand. Deshalb hat der SBK die Pflegeinitiative lanciert. Diese will Bund und Kantone verpflichten, mehr diplomiertes Pflegepersonal auszubilden und anzustellen. Im Dezember vergangenen Jahres lehnte der Nationalrat die Initiative zugunsten des indirekten Gegenvorschlags ab. Die Gesundheitskommission des Ständerats wiederum möchte diesen in gewissen Teilen abändern. Dass die Mehrheit der Kommission sich gegen Massnahmen ausspreche, die einen Beitrag gegen den Mangel an Pflegepersonal leisten würden, sei nicht nachvollziehbar, schreibt der SBK in seiner aktuellsten Medienmitteilung.
«Der Ernst der Lage und der drohende Pflegenotstand dürfen nicht ignoriert werden.»