Vaping – «It’s Epidemic»

Immer mehr Todesfälle und die Häufung von teilweise schwerwiegenden Lungenschädigungen beschäftigen die Gesundheitsbehörden in den USA. Die gravierenden Vorfälle lassen sich auf den Gebrauch von E-Zigaretten, das sogenannte Vaping, zurückführen.
Christiane Schittny


Kürzlich fand in Los Angeles an der University of California die dritte «Aerosol ­Dosimetry Conference» statt. Anwesend waren weltweit führende Pneumologen und Forschende auf dem Gebiet der Aerosolmedizin. Die aktuelle Situation an der E-Zigaretten-Front – eigentlich nur ein Nebenschauplatz der Konferenz – entwickelte sich dort zum brennendsten und meist diskutierten Thema.

Seit letztem Sommer hat sich die Lage enorm zugespitzt. Mittlerweile sind rund fünfzig Todesfälle und mehr als 2000 akute Vorfälle mit teils schwersten Lungenschädigungen bekannt (Stand Ende November 2019).

Was macht das Dampfen der E-Zigaretten so gefährlich? Fieberhaft suchen die ­Experten nach den Aus­lösern dieser dramatischen Entwicklung.

Millionen neuer Vaper

Seit 2007 werden E-Zigaretten weltweit hergestellt und vertrieben. Die Intention der Hersteller war zunächst, den Rauchern eine weniger gesundheitsschädliche Alternative zu normalen Zigaretten zu bieten. Einige Vorteile von E-Zigaretten gegenüber herkömmlichen Zigaretten lagen klar auf der Hand: Sie entwickelten weder Rauch noch lästigen Geruch, enthielten weniger giftige Inhaltsstoffe und setzten deutlich weniger schädliche Emissionen frei. «Wir haben das Konzept sehr begrüsst und standen der Innovation enthusiastisch gegenüber», sagt eine Vertreterin der US-amerikanischen Behörde für Lebensmittel- und Arzneimittelsicherheit FDA (Food and Drug Administration).

Doch dann kam die Wende. Die E-Zigaretten-Industrie witterte das enorme Gewinnpotenzial dieses Marktes und begann, massiv Werbung für ihre Produkte zu schalten – vor allem auch in verschiedensten Social Media. Eine vom Staat beauftragte und im «John Hopkins Ciccarone Center for the Prevention of Cardiovas­cular Disease» durchgeführte Studie zeigt, dass in den Vereinigten Staaten zwischen den Jahren 2016 bis 2018 schätzungsweise sechs Millionen erwachsene Nichtraucher durch E-Zigaretten zum regelmässigen ­Nikotinkonsum angeregt wurden.

Besonders Jugendliche betroffen

Gleichzeitig begannen auch Millionen von Jugendlichen in den Schulen mit dem ­Vaping und E-Zigaretten entwickelten sich zu einem boomenden Lifestyle-Produkt. Mittlerweile ist jeder vierte Oberstufen- und jeder zehnte Mittelstufenschüler involviert. «Wir haben den Geist aus der Flasche gelassen und jetzt können wir ihn nicht wieder einfangen», schildert ein bekannter Lungenspezialist die Situation. «Vaping hat ein epidemisches Ausmass angenommen.»

Meist jung und gesund – dann plötzlich mit dem Tode ringend. So kann die Lage vieler Betroffener beschrieben werden. Atem­beschwerden, Brustschmerzen, Kurzatmigkeit, Husten, Übelkeit, Erbrechen und ­hohes Fieber traten teilweise innerhalb ­kürzester Zeit auf. Mehr als die Hälfte der Patienten musste auf die Intensivstation verlegt ­werden. Viele mussten beatmet oder an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen werden, weil die Lunge so schwer geschädigt war. Und oft kam jede Hilfe zu spät.

Suche nach den Ursachen

Was macht nun das Dampfen von E-Zigaretten so gefährlich? Eine schwer zu beantwortende Frage, denn die Sachlage in den USA ist extrem unübersichtlich. «Gerade die Jugendlichen experimentieren mit den Vaping-Fluids (auch Liquids genannt) und mischen sich diese nach eigenem Gutdünken und Geschmack zusammen. Oder sie kaufen diese bei zwielichtigen Quellen im Internet», sagt ein Experte vom FDA. ­«Niemand kann mehr nachvollziehen, was schliesslich eingeatmet wird und in der Lunge landet – und schon gar nicht, was diese Mischungen dort bewirken.» 

Das «Center for Disease Control» (CDC) ist sich ziemlich sicher, dass toxische Sub­stanzen aus den Vaping-Fluids die Lungen schädigen. Doch es wurde noch kein eindeutiger Stoff gefunden, der bei allen Fällen von Lungenversagen nachgewiesen werden konnte. Die Liste der infrage kommenden Substanzen ist lang. Gut möglich, dass bestimmte Gemische miteinander reagieren und schädliche Verbindungen bilden oder dass beim Erhitzen gewisser Inhaltsstoffe toxische Elemente entstehen.

Cannabis, Nikotin oder Vitamin E?

Auffällig ist, dass viele (aber nicht alle!) der geschädigten Personen Vaping-Fluids benutzten, die entweder THC (Tetrahydrocannabinol) oder auch CBD (Cannabidiol) enthielten. Beide Substanzen gehören zu den Inhaltsstoffen der Cannabispflanze. Auch eine Korrelation der Symptome mit nikotin­haltigen Liquids ist nicht ausgeschlossen, denn die in E-Zigaretten verabreichte Menge an Nikotin übersteigt oftmals bei Weitem die in normalen Zigaretten üblichen Dosierungen. Möglicherweise ist alles auch eine Frage der inhalierten Konzentrationen.

Jüngst werden Vermutungen lauter, dass Vitamin-E-Acetat ein Auslöser der massiven Lungenschädigungen sein könnte. Norma­lerweise wird das Vitamin z. B. in Supplementen eingenommen oder als Zusatz in Körperpflegeprodukten auf die Haut aufgebracht. Beim Inhalieren kann es in der Lunge aber mit einiger Wahrscheinlichkeit grosse Probleme verursachen. Manche ­(illegale) Hersteller von Vaping-Fluids nutzen das Vitamin-E-Öl entweder um das Fluid visköser zu machen oder um das teure THC zu verdünnen und den Profit zu erhöhen.

Situation in der Schweiz

Zum Glück ist die Schweiz bislang vor einer solchen Katastrophe bewahrt worden. Hier herrschen andere Richtlinien, die Nikotinstärke der hiesigen E-Zigaretten ist schwächer und auch der Hype um die selber ­gemischten Liquids ist bei den Jugendlichen nicht verbreitet – zumindest bis jetzt nicht. Trotzdem warnt ein bekannter Pneumologe auf der Konferenz: «Meine Vorhersage ist, dass ihr dieses Phänomen auch in Europa sehen werdet. Die Frage ist nur, wann.»

Wichtig ist zu bedenken, dass die ­E-Ziga-
rette sicher kein harmloses Lifestyle-Produkt ist. Für Raucher bietet sie nach heutigen Erkenntnissen jedoch einen möglichen Ersatz für herkömmliche Zigaretten, solange sie sach­gemäss angewandt wird. Die längerfristigen Folgen des Dampfens sind allerdings noch nicht überschaubar. Manche Liquids können die Gesundheit wohl stark gefährden: Deshalb sollten nur solche verwendet werden, deren Langzeitwirkung bekannt ist und die über vertrauenswürdige Quellen vertrieben werden. Selber mischen ist tabu! •