Rückenschmerzen: Wann braucht es eine Operation?

Hexenschuss und andere Rückenschmerzen kommen sehr häufig vor. Oft verschwinden sie so rasch, wie sie gekommen sind. Wie kann man normale von gefährlichen Rückenschmerzen unterschieden? Was tun bei einem Bandscheibenvorfall? Und wieso leiden viele Senioren an einem engen Spinalkanal?
Markus Meier

Rückenschmerzen haben über 90 Prozent der Menschen irgendeinmal in ihrem Leben. Wann wird es gefährlich? Gibt es Warnsignale?

Dr. med. Markus Rühli: Glücklicher­weise sind Rückenschmerzen selten wirklich gefährlich und heilen in ca. 90 Prozent der Fälle spontan, mit etwas Schmerzmitteln oder mit physiotherapeutischen Methoden ab. Wenn Rückenschmerzen aber mit zusätzlich Gefühlsstörungen oder gar Schwäche eines Armes oder eines Beines einhergehen, muss unbedingt rasch ein Arzt aufgesucht werden. Auch wenn Fieber oder ausgeprägte Nachtschmerzen vorhanden sind, empfiehlt es sich, die Situation genauer abklären zu lassen. Ebenfalls empfehle ich, bei Rückenschmerzen nach Stürzen oder Unfällen zum Arzt zu gehen, um einen Bruch oder eine Instabilität auszuschliessen. In seltenen Fällen können bei Wirbelsäulenpro­blemen auch Blasen- und Stuhlentleerungsstörungen auftreten. In diesen Fällen muss noch am gleichen Tag die Situation geklärt werden.

Welche nicht-operativen Massnahmen helfen bei «normalen» Rückenschmerzen wie zum Beispiel einem Hexenschuss?

Grundsätzlich sollten bei Rückenschmerzen immer zuerst die nicht-operativen Massnahmen ausgeschöpft werden, ausser es liegen neurologische Ausfallserscheinungen vor. Bei einfachen Rückenschmerzen kann der Patient oder die Patientin ruhig zwei bis drei Tage beobachten und, wenn nötig, selber ein schwächeres Schmerzmittel einnehmen. Wenn diese Phase der Schonung nichts nützt, empfehle ich, den Hausarzt zu konsultieren. Dieser wird dann, je nach Situation, stärkere schmerz- und entzündungshemmende Mittel sowie gegebenenfalls physiotherapeutische Massnahmen verordnen. Auch Wärme und Massage können allenfalls verspannte Muskulatur lockern, die häufig die Ursache von banalen Rückenschmerzen ist. Erst wenn diese Massnahmen nicht helfen, ist es sinnvoll, eine spezialisiertere ­Abklärung durchzuführen und die Befunde von einem erfahrenen Wirbelsäulenspezialisten beurteilen zu lassen. 

Was können wir selber tun, um bis ins hohe Alter einen gesunden Rücken zu haben?

Grundsätzlich ist der Alterungsprozess am menschlichen Körper wahrscheinlich primär genetisch bedingt. Dies trifft auch bei der Wirbelsäule zu. Der Alterungsprozess an und für sich lässt sich durch den Lebenswandel nur wenig beeinflussen. Trotzdem ist es natürlich sinnvoll, dass man grundsätzlich gesund lebt und speziell für die Wirbelsäule die Rückenmuskulatur auf einem guten Trainingsstand hält. Dies können gezielte Übungen zur Kräftigung auch der tiefen Muskulatur sein. Und es macht Sinn, eine Sportart vernünftig auszuüben, die einem zusätzlich noch Freude bereitet.

Für Personen mit körperlich belastenden Berufen ist es sicher wichtig, dass sie die empfohlenen «Rückenregeln» einhalten, sonst sind doch vermehrte Verschleisserscheinungen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten.

Sehr viele Senioren leiden an einer sogenannten Spinalkanalstenose? Was verstehen Rückenspezialisten darunter? Welche Therapien sind möglich?

Mit zunehmendem Alter entstehen Verschleisserscheinungen, also Arthrose, an der Wirbelsäule. Dazu gehören Verdickung der Bänder, Kalk- und Knochenablagerungen sowie Auslockerung und Verschiebung von Wirbeln. Alle diese Veränderungen können den Wirbelkanal verengen und somit die dort verlaufenden Nerven und das Rückenmark einengen. Dies führt zu typischen Beschwerden beim Stehen und ­Gehen. Bei längerer Steh- und Gehdauer treten dabei zunehmend Rückenschmerzen auf, die auch in die Beine ausstrahlen und dort zu einem Schwächegefühl führen. Wenn der Patient dann innehält oder sich irgendwo abstützt, bessern die Beschwerden rasch. Ebenfalls ist längeres Sitzen für Leute mit einer Spinalstenose in der Regel ein Pro­blem. Da es sich hier um eine mechanische Einengung des Wirbelkanals und entsprechender Kompression der Nerven handelt, ist letztlich nur die operative Dekompression – das «Herausputzen des Wirbelkanals» – die einzig nachhaltige Therapieform.

Jüngere Menschen können einen Bandscheibenvorfall erleiden. Wie kommt es zu diesem sehr schmerzhaften Zustand? Wann ist eine Operation notwendig?

Bandscheibenvorfälle treten typischerweise im mittleren und eher jüngeren Alter auf. Bei diesem Krankheitsbild werden Bandscheiben in den Wirbelkanal vorgewölbt oder sogar buchstäblich hineingedrückt. Oft können die Nerven dabei etwas ausweichen, sodass die Symptome nicht gravierend sind. Je nach Situation kommt es aber zu massivsten, in ein Bein oder einen Arm ausstrahlende Schmerzen mit oder ohne Rückenschmerzen. Das kann ­sogar mit Gefühlsstörungen und Schwäche einhergehen.

Auch hier sollte zuerst versucht werden, ohne eine Operation die Situation zu bereinigen. Wenn die Schmerzen aber unaushaltbar sind oder chronisch zermürbend nicht bessern, sollte der Arzt eine Operation mit dem Patienten besprechen. Falls eine Schwäche und Lähmung eines Beines oder eines Armes auftritt, müssen wir meist die rasche Operation empfehlen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich die abgequetschten Nerven nicht mehr erholen werden.

Wie läuft einen solche Operation ab? Wie lange kann der Patient nicht mehr arbeiten und keinen Sport machen? Wann ist Arbeiten wieder möglich?

Bei den meisten Rückenoperationen kann man sich auf eine oder zwei Bandscheiben oder Wirbel beschränken und damit die Operation so gezielt und minimal wie möglich durchführen. In den meistens ­Fällen, besonders bei Bandscheibenproblemen und einem eingeengten Wirbelkanal, gelingt eine rein dekompressive Operation, bei der die Nerven unter dem Operationsmikroskop entlastet werden. In einigen Situationen, bei starken Verschleisserscheinungen oder Wirbelverschiebungen, muss eine zusätzliche Fixation der betroffenen Wirbel erwogen werden. In der Regel kann der Patient am Tag nach der Operation bereits wieder aufstehen und gehen. Je nach Operation sollten vier Wochen bis vier Monate keine rückenbelastenden Tätigkeiten oder Sport durchgeführt werden. Bei kleineren Entlastungsoperationen wegen Spinalstenose ist die Wirbelsäule nach drei bis vier Wochen wieder normal belastbar. Bei grösseren Eingriffen mit Stabilisation kann die Schonungsphase drei bis vier Monate dauern. Ziel ist es auf jeden Fall, die normale berufliche und sportliche Leistungsfähigkeit, die der Patient vor der Operation hatte, wieder zu erreichen. Ähnlich sieht es mit der Arbeitsfähigkeit aus. Hier muss aber je nach Beruf und Operation die Schonungsphase bei ­jedem Patienten individuell festgelegt ­werden.

Was lässt sich mit komplementär-medizinischen Methoden wie Traditionelle Chinesische Medizin gegen eine Diskushernie ausrichten?

Komplementärmedizinische Methoden zielen in der Regel auf die Reduktion des Schmerzes ab und können die eigentliche anatomische Ursache des Problems nicht wirklich beheben. Besonders bei Muskelverspannungen und auch bei gewissen nervlich bedingten Schmerzen können diese Methoden dem Patienten aber helfen. Wenn die Symptome anhalten, empfehlen wir trotzdem zusätzlich eine schulmedizinische Abklärung der Schmerzursache. •