Kein anderes Organ weist eine so hohe Zahl an krankhaften Veränderungen auf wie die Haut. Neue Erkenntnisse helfen dabei, die Pathologie solcher Krankheiten besser zu verstehen und neue Behandlungsstrategien zu entwickeln. Am vergangenen europäischen Dermatologenkongress in Madrid (EADV) stellten Forscher ihre neuesten Ergebnisse vor.
Klaus Duffner
«Wir verstehen die Pathogenese der atopischen Dermatitis heute viel besser als noch vor einigen Jahren. Wir wissen, dass das Wirkprinzip der Zytokine IL-4 und IL-13 wirklich entscheidend für die Krankheit ist», sagte am EADV in Madrid der Dermatologe und Allergologe Prof. Dr. Tilo Biedermann von der TU München. Mittlerweile haben einige pharmazeutische Firmen sich dieser neuen Targets angenommen und neue Behandlungsstrategien entwickelt.
Neue Behandlungsoptionen bei Neurodermitis
Derzeit durchlaufen über siebzig Arzneistoffe gegen Neurodermitis die klinische Prüfung. Der humanisierte Antikörper Dupilumab neutralisiert die Rezeptoren für die beiden zentralen Typ-2-Zytokine der Immunantwort. Mit dem Wirkstoff (300 mg alle zwei Wochen subkutan plus topische Kortikosteroide) wurde in zwei Phase-III-Studien eine ausgedehnte atopische Dermatitis häufig zur Abheilung gebracht. «Das erlaubt uns, schwere Fälle wirklich zu behandeln», erklärte Biedermann. So komme es schon sehr früh nach Beginn der Therapie zu einer Entlastung der Patienten, der Juckreiz lasse nach und das Ekzem entwickle sich zurück. Zwar müsse man die Entstehung von Bindehautentzündungen beachten, insgesamt sei die Verträglichkeit aber sehr gut.
Auch die Resultate weiterer zu erwartender Biologika, die ebenfalls IL-13 angreifen (Tralokinumab und Lebrikizumab), sind Erfolg versprechend. Dazu kommen ganz neue Angriffsziele wie das erst vor einigen Jahren entdeckte Interleukin-31. Es aktiviert antimikrobielle Peptide in der Haut, kann jedoch bei Überproduktion die Hautbarriere zerstören. Gelingt es, dieses Übermass zu drosseln, lässt sich die Entzündung beherrschen. So zeigte der Anti-IL-31-Rezeptor-Blocker Nemolizumab sowohl eine rasche Juckreizlinderung als auch Besserungen der Hautentzündung. Zusammen mit den PD4-Inhibitoren, den Histamin-H4-Rezeptor-Antagonisten und den Janus-Kinase-Inhibitoren wird sich in den kommenden Jahren die «Therapielandschaft» bei atopischer Dermatitis erheblich erweitern.
Mikroben «trainieren» die Neugeborenenhaut
Bei Neugeborenen kommt es in den ersten Lebenswochen zu grossen Veränderungen auf der Haut. Während zu Beginn vor allem Staphylokokken die Babyhaut besiedeln, nimmt in der Folgezeit die Diversität stetig zu. Bereits nach einem Jahr gleicht bei gesunden Kindern die Mikrobenzusammensetzung ungefähr der eines Erwachsenen, berichtete Biedermann. Allerdings ist in diesem ersten sensiblen Jahr die Hautbarriere lange nicht so stabil wie bei Erwachsenen, sodass bakterielle Fehlentwicklungen möglich sind. Tatsächlich «trainiert» das Mikrobiom (die Gesamtheit aller Mikroorganismen) auf der Haut das dermale Immunsystem. Beispielsweise ist die Haut bakterienfreier Mäuse schutzlos Angriffen durch Hefepilze (Candida) ausgeliefert und verpilzt in kürzester Zeit.
Nun wurde eine interessante Arbeit vorgestellt, nach der gerade die initiale Besiedelung der Säuglingshaut mit Bakterien sehr wichtig für die Toleranzentwicklung des Immunsystems ist. Würde diese Toleranz fehlen, wäre die Haut konstant entzündet. Ein wichtiger Faktor für die Ausbildung eines normalen Hautbioms scheint die Geburt zu sein. So besässen per Kaiserschnitt geholte Babys eine andere Hautflora und seien anfälliger für Allergien als natürlich geborene, so der Experte. Allerdings würde sich nach einigen Wochen das mikrobielle Ökosystem von auf unterschiedlichen Wegen zur Welt gebrachter Kinder nicht mehr unterscheiden.
In einer weiteren Arbeit konnte zudem gezeigt werden, dass vor allem die frühe Besiedelung mit möglichst vielen unterschiedlichen Staphylokokken-Spezies einen Schutz bietet. Mit anderen Worten: Weniger unterschiedliche Spezies auf der Haut zu Beginn des Lebens ist mit einem höheren Risiko für eine spätere atopische Dermatitis verbunden.
Staphylokokken sind winzige kugelförmige Bakterien, die in grosser Zahl unter anderem die Haut und Schleimhäute des Menschen besiedeln. Ausdrücklich nicht gemeint sei dabei jedoch das bisweilen als Krankheitserreger wirkende Staphylococcus aureus, so Biedermann. Man denke jetzt darüber nach, ob in bestimmten Fällen eine Besiedelung der Neugeborenenhaut mit «guten» Staphylokokken zu einer dermalen Stabilisation führen und damit die Kinder vor atopischer Dermatitis besser geschützt werden könnten, erklärte der Experte.
Viele unzufriedene Psoriasis-Patienten
Die Psoriasis (oder Schuppenflechte) ist seit geraumer Zeit Gegenstand intensiver Forschungsaktivitäten. Durch die neuen Erkenntnisse der vergangenen Jahre zu den Entzündungssignalwegen TNF, IL-23 und IL-17 und damit zur Entstehung dieser Hautkrankheit, konnten zahlreiche neue Medikamente, allen voran Biologika zur Behandlung der chronischen Plaque-Psoriasis entwickelt werden. Trotzdem scheinen diese neuen Therapieoptionen nur schleppend im Praxisalltag anzukommen. Gemäss einer in Madrid vorgestellten Studie der Technischen Universität München dauert es im Durchschnitt fünf Jahre, bis überhaupt die Diagnose Psoriasis gestellt werde. Auch gaben 56 Prozent der insgesamt 650 befragten Patienten mit schwerer Psoriasis an (bei ihnen war mehr als 20 % der Hautoberfläche mit schuppigen Plaques bedeckt), derzeit keinen Arzt wegen ihrer Schuppenflechte aufzusuchen.
Die Gründe waren unterschiedlich: Die Patienten hätten die Erfahrung gemacht, dass die Ärzte ihnen zu wenig Zeit widmen würden oder dass man die Erkrankung nicht ernst genug nähme. Zudem hatten viele den Eindruck, die Ärzte würden sich mit dem Krankheitsbild nicht richtig auskennen. Auch die Wirkung der Medikamente liess zu wünschen übrig: So gab rund die Hälfte der Befragten an, dass ihnen die Arzneien nicht oder nicht ausreichend geholfen hätten. Auch über zu viele Nebenwirkungen klagten 29 Prozent der Teilnehmer. Obwohl die Schuppenflechte eine sehr bekannte Erkrankung ist, blieben auffällig viele Betroffene unterbehandelt, so Studienleiter Maximilian Schielein. Man müsse Patienten, die mit ihrer Behandlung unzufrieden sind, ernst nehmen und sich mehr Zeit nehmen, um eine adäquate Therapie für sie zu finden, sagte der Münchner Dermatologe.
Laut einer weiteren, am EADV präsentierten Studie aus Japan wurde die hohe psychische Belastung von Psoriasis-Patienten und -Patientinnen deutlich. Während in der Allgemeinbevölkerung rund 19 Prozent unter Angststörungen leiden, berichteten über zwei Drittel (77 %) der akut von Schuppenflechte Betroffenen von solchen Ängsten. Die Analyse der Ergebnisse zeigt, dass 33 Prozent ein hohes, 44 Prozent ein mittleres und 23 Prozent ein niedriges Angstlevel aufweisen. Nach Ansicht der Forscher unterstreichen diese Ergebnisse die Notwendigkeit einer interdisziplinären Betreuung, die bei Bedarf auch eine spezifische psychosoziale Intervention mit einschliesse.
Schwerere Lebererkrankungen bei Psoriasis
Schuppenflechte ist nicht nur eine Hautkrankheit, sie ist auch mit einer ganzen Reihe weiterer, teils schwerer gesundheitlicher Probleme wie Psoriasis-Arthritis, Bluthochdruck, Diabetes, metabolisches Syndrom oder psychiatrischer Erkrankungen verbunden. Spanische Forscher konnten nun nachweisen, dass auch das Ausmass der nichtalkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD) mit der Schuppenflechte korreliert ist. Die Verbreitung der nichtalkoholischen Fettlebererkrankung liegt in der Normalbevölkerung in Mitteleuropa bei stattlichen 14 bis 27 Prozent. In die Studie wurden 64 männliche Patienten mit schwerer Psoriasis und der Diagnose NAFLD eingeschlossen.
Es zeigte sich, dass Patienten mit einem schwereren NAFLD auch eine stärkere Psoriasiserkrankung aufwiesen. Eine weitere Studie offenbarte zudem, dass Leberschäden insgesamt häufiger bei Psoriatikern auftreten. Es sei daher Aufgabe von Ärzten, Gesundheitsfachleuten und Apothekern, bei Menschen mit Psoriasis auf Lebererkrankungen zu achten und gegebenenfalls zu reagieren, so Dr. Daniel Nieto vom La Paz Hospital in Madrid.
Was Akne fördert
Zwischen dem 15. und 18. Lebensjahr sind über 90 Prozent der Jugendlichen von Akne betroffen, aber auch danach leiden viele Erwachsene unter einer «unreinen Haut». Welche Faktoren begünstigen diese Krankheit? Zur Beantwortung dieser Frage wurden 6700 Teilnehmer aus sechs Ländern in Nordamerika, Südamerika und Europa in eine grosse Studie eingeschlossen.
Dabei zeigte sich, dass Personen, die täglich Milchprodukte konsumierten, signifikant häufiger unter Akne leiden (48,2 %) als Menschen ohne häufigen Milch- resp. Käsekonsum (38,8 %). Auch der Genuss von Sojagetränken (35,6 % vs. 31 %), Gebäck und Schokolade (37 % vs. 27,8 %) sowie Süssigkeiten (29,7 % vs. 19,1 %) geht häufiger mit Akne einher. Menschen mit einer Vorliebe für Molkeprodukte (11 % vs. 7 %), aber auch – wenig überraschend – Konsumenten von anabolen Steroiden (11,9 % vs. 3,2 %) entwickeln ebenfalls signifikant mehr Akne.
Daneben wurde eine Exposition gegenüber Umweltgiften und Stress bei Akne-Patienten häufiger beobachtete als in der Kontrollgruppe. Zudem nutzten Akne-Betroffene öfters «grobe Hautpflegepraktiken». Dagegen hatte Tabakkonsum, der bislang als Trigger angesehen wurde, überraschenderweise keinen Einfluss auf die Häufigkeit der Hautkrankheit. Akne kann erhebliche psychologische Auswirkungen auf die Lebensqualität und das Selbstbewusstsein von Patienten haben. «Solche äusseren Faktoren können sowohl die Schwere der Akne als auch den Behandlungserfolg beeinflussen», sagte Prof. Dr. Brigitte Dréno vom Universitätsspital Nantes, die im Auftrag der Firma Vichy die Studie durchführte. Für ein adäquates Management der Erkrankung sei daher das Verstehen, die Identifizierung und die Reduktion der wichtigsten Trigger enorm wichtig.
Melanome am Hals besonders aggressiv
Verschiedene Krebsformen können von ihrer Pathogenese und ihrem Verlauf extrem unterschiedlich sein. Britische Wissenschaftler haben nun herausgefunden, dass auch die Lokalisation auf der Haut entscheidend für die Aggressivität des Tumors sein kann. In eine kleine deskriptive klinische Studie wurden 45 Patienten mit bösartigem malignen Melanom (MM) eingeschlossen und in zwei Gruppen eingeteilt. Während bei der einen Gruppe der schwarze Hautkrebs am Hals lokalisiert war, wurde er bei der anderen unterhalb des Halses, also am Körper, festgestellt.
Alle Patienten wurden mithilfe der Computertomografie (CT) untersucht. Teilnehmer, deren Melanom das Stadium T2a oder mehr aufwies, wurden zudem einer Lymphknotenbiopsie unterzogen, um die Ausdehnung der Erkrankung zu dokumentieren.
Von den 37 Patienten, deren malignes Melanom unterhalb des Halses angesiedelt war, zeigte nur einer (2,7 %) einen positiven Lymphknotenbefund. Von den acht Erkrankten, deren Melanom am Hals lokalisiert war, wiesen hingegen zwei (25 %) einen Lymphknotenbefall und Fernmetastasen auf. Die Studie zeige, so die Wissenschaftler, dass schwarzer Hautkrebs am Hals im Vergleich zum übrigen Körper mit einem signifikant höheren Ausbreitungsrisiko verbunden ist. Das Wissen um das Risiko dieser Lokalisationen könnte dabei helfen, das Überleben der Patienten zu verbessern, erklärte der Studienleiter Dr. Mohammed Al Abadie in Madrid.
Haarausfall durch Luftverschmutzung
Luftverschmutzung kann zu Atemwegsproblemen, Lungenerkrankungen, Herz-Kreislauf-Beschwerden und Krebs führen und ist für den Tod von jährlich 4,2 Millionen Menschen verantwortlich. Weniger bekannt ist, dass die winzigen Partikel auch Auswirkungen auf die Haare haben können. So haben koreanische Forscher in einer Studie gezeigt, dass ein Zusammenhang zwischen der Belastung mit Feinstaub und Haarausfall beim Menschen besteht. Feinstaub ist eine Mischung aus festen Partikeln und Tröpfchen in der Luft und wird in Partikel mit einem Durchmesser von unter zehn Mikrometern (PM 10), unter 2,5 Mikrometern (PM 2,5) oder Ultrafeinstaub (PM 0,1) unterteilt. Für ihre Untersuchung haben die Wissenschaftler Zellen der menschlichen Kopfhaut von der Basis der Haarfollikel verschiedenen Konzentrationen von Feinstaub und Dieselpartikeln ausgesetzt.
Die am Dermatologenkongress in Madrid vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass das Vorhandensein der Schadstoffe den Gehalt an einem für das Haarwachstum verantwortlichen Protein (β-Catenin) senkt. Zudem wird auch die Konzentration dreier weiterer für den Haarwuchs und -erhalt wichtiger Proteine (Cyclin D1, Cyclin E und CDK2) durch Feinstaub- und Dieselpartikel verringert. Dabei ist die Schadwirkung dosisabhängig: Je höher der Schadstoffgehalt, desto stärker reduziert sich auch die Anzahl der vorhandenen Proteine. «Obwohl der Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und schweren Krankheiten wie Krebs, COPD und CVD weithin bekannt ist, gibt es wenig bis gar keine Forschung über die Auswirkungen einer besonderen Stoffbelastung auf die menschliche Haut und insbesondere das Haar», so Hyuk Chul Kwon vom Future Science Research Centre in Seoul. Mit der Studie wurde erstmals gezeigt, wie die häufigsten Luftschadstoffe zu Haarausfall führen. •