Lobbying – Einflüsterer vom Dienst

Lobbyistinnen und Lobbyisten erarbeiten vertiefende Informationen und versuchen, Partikularinteressen durchzusetzen. Sie sind für das Gesundheitswesen potenziell nützlich, können aber auch schädlich wirken. In jedem Fall geht es um viel Geld und heimliche Macht – und einmal mehr wird deshalb mehr Transparenz verlangt. Neuerdings sogar mehrheitlich im Parlament.
Hans Wirz

Intransparenz löst in jedem Fall Misstrauen und negative Unterstellungen aus. Trans­parenz braucht es allerdings nicht nur bezüglich der Frage, welche Parlamentarier, ­Verwaltungsmenschen und Berufslobbyisten Wasser auf ihre Kanäle zu leiten versuchen, sondern auch unter welchem harmlos tönenden Deckmäntelchen (wie etwa «Papi-Zeit», «Familien­förderung», «bezahlbare Kran­ken­kassenprämien», «freie Arztwahl» usw.) sich welche Partikularinteressen verstecken. Oft ist unklar, wer welche Interessen für wie viel Geld vertritt. Niemand hat da die vollständige Übersicht. Was ist wertvoll und statthaft, was Korruption oder gar ­Bestechung? Kurzum: Geldwerte Interessenvertretung ist ein Seiltanz für Ein­flüsterer und die gewählten Volksvertreter.

Gewinner und Verlierer

Verbände, Organisationen, Beamte, Parteien, Firmen und andere Interessengruppen versuchen, ihre Anliegen durchzusetzen. Hinter und vor den Kulissen. Sie kaufen sich oft unterstützende Manpower, vergeben sogenannte Mandate. Wie die NZZ am Sonntag (vom 22.9.2019) darlegte, lasse sich ein Gesetz «für 100 000 Franken stoppen oder durchsetzen». Empfindsame Bürgerinnen und Bürger können schon erschrecken, wenn sie mit solchen Aussagen konfrontiert werden. Ob entsprechende Meldungen stimmen oder nicht, ist zweitrangig; alle Meldungen aus der Grauzone von unkontrollierten Neben- oder Haupteinkommen verunsichern. Wer profitiert – links oder rechts, offen oder versteckt – von welchen Umleitungen der Geldströme, über die im Parlament entschieden wird?

Das lässt sich nicht immer leicht sagen – im besten Fall die Bevölkerung, ansonsten Interessengruppen. Lobbying ist ein langfristiges Geschäft: Es braucht Jahre, eta­blierten Geldströmen (beispielsweise in Richtung Landwirtschaft oder Gesundheit) eine neue Richtung zu geben. Weil es nebst Gewinnern meistens auch Verlierer gibt. Beispielsweise verlieren eventuell spezia­lisierte Ärzte demnächst zugunsten der Hausärzte.

Lobbying hat viele Nutzen

Die Volksvertreterinnen und Volksvertreter in Bern und in den Kantonen sind in der Regel überfordert, wenn es um Sachgeschäfte geht. Sie brauchen einerseits zuverlässige Informationen, haben andererseits die Fachkenntnisse und die Zeit nicht, ­selber zu recherchieren. Unglücklicherweise ist auch in den Kommissionen die Zeit ­dafür nicht da, obwohl dort in der Regel die wichtigen Sachfragen diskutiert und vorentschieden werden. Darum ist eben die Lobbyistenzunft gefragt: Man hört sich verschiedene fundierte Meinungen an und entscheidet dann als Parlamentarierin oder Parlamentarier, was «besser» und was «schlechter» ist.

Vertrauen im Eimer?

Im Zentrum der Entscheidungsfällung sollten nur «die Sache» und «die Tatsachen» stehen. Aber erstens wissen alle, dass entgegen dem Sachlichkeitsanspruch letztlich fast immer «der Bauch» entscheidet respektive Emotionen, Verpflichtungen und Rücksichten den Ausschlag geben. Gerne dann sachlich begründet. Wie in allen ­Lebensbereichen zählt auch in der Gesundheitspolitik zudem sehr häufig nicht das, was vermittelt, sondern was verschwiegen wird. Man könnte in Kürze sagen, dass Infor­mation in der Politik die Kunst ist, in überzeugender Form nur zu sagen, was in ­erster Linie der eigenen Zielerreichung dient.

Frage der Persönlichkeit

«Gutes Lobbying hat nichts mit Bestechung zu tun», hat einst Ständerätin Christine Egerszegi gesagt. Mit dem Nachsatz, dass «jegliche Entschädigungen oder geschenkte Pöstchen zu Gegenleistungen verpflichten». Damit ist die Notwendigkeit und der Anspruch auf Ehrlichkeit ausgedrückt, in der Lobbying- und Parlamentstätigkeit nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln. Denn auf die Dauer ist Lobbying nur wirksam, wenn sich zwischen den Playern eine Vertrauensbasis entwickelt. Was wiederum den Einbezug aller Sichtweisen erfordert.

Transparenz beschlossen

«Offenlegungspflicht» ist das Motto des neuen Nationalrats; er sprach sich im ­Dezember 2019 deutlich für mehr Trans­parenz aus. Bereits im Herbst 2019 hatte sich der Ständerat für klare Regeln bezüglich Lobbying festgelegt. Es geht also vorwärts in Sachen Benennung der Einflüsterer und ihren Verbindungen. Interessant ist übrigens, dass auch Journalisten gerne und oft wie Lobbyisten Einfluss nehmen, obwohl sie eigentlich nur einen umfassenden Informationsauf‌trag haben. Aber das ist ein anderes Kapitel.