Seit Jahren wird versucht, die Tarifstruktur für ambulante Arztleistungen den Erforder-
nissen der heutigen Zeit anzupassen respektive neu zu gestalten. Hauptakteure sind die Versicherer und die FMH. Jetzt liegt der – offenbar nahezu perfekte – Lösungsvorschlag Tardoc auf dem Tisch.
Hans Wirz
Joachim Eder, Verwaltungsratspräsident ats-tms AG,
freut sich darüber, «alle Vorgaben des Bundesrates» restlos erfüllt zu haben.
Die Bedeutung der vorliegenden Vorschläge kann nicht überschätzt werden: Ärzte in Privatpraxen und Spitälern rechnen noch heute jährlich rund zwölf Milliarden Franken über das veraltete Regelwerk von 2004 ab. Jetzt soll der Tarmed anfangs 2022 durch den Tardoc abgelöst werden. Angesichts der sehr gegenläufigen Interessenlage der Verhandlungspartner kann man von einem echten Durchbruch reden – alle Forderungen des Bundesrates sind erfüllt. Der als wichtigsten Eckwert vorgab, das neue Regelwerk dürfe nicht höhere Kosten verursachen als die bisherige Lösung. Was zwangsläufig eine Honorarverlagerung bei den Ärzten nötig macht. Denn vor allem die Haus- und Kinderärzte sollen besser bezahlt werden. Gleichzeitig sollte berücksichtigt werden, dass die seit 2004 stark entwickelten technischen Fortschritte die Kostensituation gründlich verändert haben.
Was der Tardoc bringt
Gemäss den Ausführungen der Antragsteller bildet der Tardoc das aktuelle ärztliche Leistungsspektrum praxis- und spitalambulant ab. Tardoc ist gesetzeskonform und verbessert die Übersichtlichkeit und Transparenz – auch für die Patientenschaft: Die Leistungspositionen wurden von 4500 auf 2700 Positionen gestrafft. Tardoc ist technisch kompatibel mit den heutigen Abrechnungssystemen, setzt Anreize für mehr Effizienz unter Berücksichtigung einer hohen Qualität der Leistungserbringung.
Ein Gemeinschaftswerk
Die Tarifpositionen wurden – inklusive Anwendungs- und Abrechnungsregeln – mit den Tarifpartnern gemeinsam erarbeitet. Partner sind die FMH und die Versicherergemeinschaft Curafutura. Weil Letztere die Mehrheit der Versicherten umfasst, kann der Bundesrat den Tardoc als allgemeinverbindlich erklären. Wobei die Türe offen bleibt für weitere Tarifpartner. Der Tardoc soll sich als «lernende Organisation» profilieren: Die laufende Weiterentwicklung wird als selbstverständlich bezeichnet. Positiv fällt ins Gewicht, dass das private Tarifbüro «ats-tms ag» bereits seit 2016 den Prozess der Gestaltung des neuen Regelwerks bis in alle Details vorangetrieben hat und diese Aufgabe weiterhin erfüllen kann – der Bundesrat sollte auf die von ihm angekündete Neuschaffung eines solchen Büros verzichten. Umso mehr, als die ats-tms bereits alle Prozesse definiert hat, die volle Unterstützung und das Vertrauen auch der Ärzteschaft geniesst und ein Hub sein will zur kontinuierlichen Weiterentwicklung des Tardoc und der weiteren Sozialversicherungen neben dem KVG.
Eckwerte
Die Bedeutung von Tardoc und des Tarifbüros beruht auf den Eckwerten, die Joachim Eder, Verwaltungsratspräsident der ats-tms AG, anlässlich eines Mediengesprächs vorstellte:
• Erfüllung der bundesrätlichen Vorgaben respektive Gewährleistung des Zugangs zu guter medizinischer Versorgung.
• Stetige Entwicklung der Tarifwerke gemäss medizinischen Fortschritten.
• Ausgewogene und damit faire tarifpartnerschaftliche Lösungen.
• Monitoring der effektiven Tarifanwendung und Abrechnung über Tardoc.
• Aufnahme von neuen medizinischen Behandlungen und Verfahren.
• Berücksichtigung der Entwicklungen im Gesundheitswesen, wie etwa «ambulant vor stationär», Interprofessionalität und Digitalisierung.
Grosse Zufriedenheit
Kompromisse erfordern immer auch monetäre Verzichte. In diesem Sinn haben Pius Zängerle, Direktor Curafutura, und Dr. med. Jürg Schlup, Präsident FM (und ihre Teams), mit dem vorliegenden Resultat eine faire Lösung erzielt. Was sagt Dr. med. Philippe Luchsinger dazu, Präsident Haus- und Kinderärzte Schweiz? «Die Erarbeitung von Tardoc war harte Knochenarbeit und hat ein immenses Engagement vonseiten mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz benötigt, damit unsere Arbeit korrekt abgebildet werden kann. Der grosse Pluspunkt ist, dass wir nun ein eigenes Kapitel für die Grundversorger haben. Wichtig war uns auch, dass die Korrekturmechanismen klar definiert sind. Da Tardoc unsere Konsultation anders abbilden wird, ist eine Prognose schwierig, wir sind aber zuversichtlich, dass der neue Tarif fair ausfällt.» •