Während des Geschlechtsverkehrs sterben. Dies kommt vor, ist aber selten. Herzkranke müssen deshalb in der Regel nicht auf Sex verzichten, auch nicht nach einem Herzinfarkt. Es gibt allerdings Ausnahmen.
Claudia Benetti
Erst wenige Männer suchen wegen Erektionsstörungen einen Arzt auf. Doch hinter einer erektilen Dysfunktion (ED) kann sich durchaus auch einmal eine ernsthafte Erkrankung verbergen. Ist sie zum Beispiel vaskulär bedingt, können Erektionsprobleme mitunter ein erstes frühes Zeichen für eine noch bis dahin asymptomatisch verlaufende koronare Herzkrankheit (KHK) sein. «Im Schnitt geht eine ED etwa zwei Jahre einer KHK-Diagnose oder einem Herzinfarkt voraus», erklärte PD Dr. med. Christophe Wyss, Leiter der Akutkardiologie an der Herzklinik Hirslanden Zürich, anlässlich eines Vortrages am Symposium für Männermedizin in Pfäffikon SZ aus.
Kardiologen empfehlen deshalb bei Männern mit Erektionsstörungen ab 40 Jahren, das individuelle kardiovaskuläre Risiko zu bestimmen. Dieses kann man aufgrund von Alter, Blutdruck, Lipiden und Gewicht berechnen. «Ja nach Risiko empfiehlt sich möglicherweise auch noch eine Computertomografie (CT) der Herzkranzgefässe», so der Kardiologe. Kann im CT bereits eine Atherosklerose festgestellt werden, sollten auch die kardiovaskulären Risikofaktoren mit einer Lebensstiländerung (z. B. Rauchstopp, Gewichtsnormalisierung) und eventuell auch mit Medikamenten (z. B. Cholesterin- und Blutdrucksenker) behandelt werden.
Ein koitaler Tod ist selten
Wie steht es aber mit Sex, wenn bereits ein Herzproblem besteht? Dürfen Männer dann noch sexuell aktiv sein oder müssen sie eventuell Angst haben, während des Geschlechtsverkehrs einen Herzinfarkt oder gar einen Herztod zu erleiden? Dr. Wyss konnte glücklicherweise weitgehend Entwarnung geben. «Studien haben gezeigt, dass Geschlechtsverkehr mit einer moderaten körperlichen Anstrengung vergleichbar ist. Und eine moderate Anstrengung ist für Herzpatienten meistens okay», sagte er. Zwar komme es beim Sex durchaus zu mitunter auch sehr hohen Herzfrequenzen und Blutdruckwerten, die für hypertensiven Patienten ein Problem sein können. In der Regel erreichen sie aber kaum die Werte, wie sie beim Velofahren oder Staubsaugen üblich sind. «Ein koitaler Tod ist sehr selten, kommt aber vor», betonte der Arzt. «Wenn es tatsächlich einmal dazu kommt, dann vor allem während eines ausserehelichen Geschlechtsverkehrs, mit einer eventuell viel jüngeren Partnerin und wenn der Sex sportlicher ausgelebt wird als üblich.»
Wann Herzpatienten konkret Sex haben dürfen und wann besser nicht, ist von ihrem individuellen kardiovaskulären Risiko abhängig. Ist es tief, ist sexuelle Aktivität okay. Das gilt zum Beispiel für alle asymptomatischen Patienten, aber auch für beschwerdefreie Patienten nach einer Revaskularisation, mit einem kontrollierten Bluthochdruck, einer leichten Herzschwäche (NYHA-Klasse I) oder auch nach einem Herzinfarkt, der bereits sechs bis acht Wochen zurückliegt.
Aufpassen müssen hingegen laut Dr. Wyss Männer mit einem hohen kardiovaskulären Risiko, also mit einer instabilen Angina pectoris, mit einem unkontrollierten Blutdruck, mit einer fortgeschrittenen Herzinsuffizienz (NYHA Klasse III-IV), mit mittelgradigen und schweren Aorten/Mitralstenosen sowie nach einem frischen, bis zu zwei Wochen zurückliegenden Herzinfarkt. Bei einem intermediären Risiko entscheiden die Ärzte individuell, ob Sex okay ist oder nicht. Um die Situation besser einzuschätzen, testen sie gelegentlich auch zuerst die körperliche Leistungsfähigkeit des Patienten auf dem Fahrrad-Ergometer.
Sind Medikamente schlecht für den Sex?
PDE-5-Hemmer wie zum Beispiel Viagra oder Cialis können von Herzpatienten mit Erektionsstörungen in der Regel bedenkenlos geschluckt werden. «Nur wenn Nitrate eingenommen werden, muss Mann auf diese potenzsteigernden Medikamente verzichten», betonte Dr. Wyss. Denn diese Kombination kann den Blutdruck so stark absenken, dass es gefährlich werden kann.
Gefährlich kann es auch werden, wenn Herzpatienten von sich Medikamente absetzen, weil in der Packungsbeilage eine
ED als Nebenwirkung aufgeführt ist. «Dies ist beispielsweise bei Betablockern und Thiaziddiuretika der Fall, also bei Präparaten, die die Patienten explizit zur Behandlung einer atherosklerotisch bedingten Gefässdysfunktion verordnet bekommen», betonte Dr. Wyss. Es sei deshalb wichtig, dass Ärzte in der Sprechstunde über die
ED und über Erektionsstörungen als mögliche Nebenwirkung von Medikamenten sprechen.
Nicht alle in der Kardiologie eingesetzten Medikamente verschlechtern aber auch die sexuelle Funktion. «Manchmal stellen sie auch die Lösung für die Erektionsstörungen dar», so der Experte. Für Herzinsuffizienz-Patienten gibt es zum Beispiel mit Entresto ein Präparat, das die Herzschwäche reduziert, den Blutdruck senkt und darüber hinaus auch nachweislich die erektile Dysfunktion deutlich verbessern könne, führte er weiter aus. •
Quelle: Vortrag von Kardiologe PD Dr. med. Christophe Wyss am Symposium für Männermedizin, Pfäffikon SZ, 10. Dezember 2019