Kardiologie: Gebrochene Herzen

Psyche und Herz beeinflussen sich gegenseitig. Im Winter wird dies besonders spürbar, wenn eine dicke Nebeldecke das Unterland in ein düsteres Grau hüllt. Die Festtage, Kerzenschein und gemütliche Familientreffen liegen schon weit zurück, depressive Grundstimmung macht sich breit. Darunter leidet auch das Herz, aber weniger als während der Weihnachtszeit.
Markus Meier

«Es liegt mir etwas auf dem Herzen», «an gebrochenem Herz sterben» und «ein Herz und eine Seele sein»: Das sind alles Redewendungen, die aufzeigen, wie eng die Verbindung zwischen Psyche und Herz ist. Angst, Ärger, Trauer und Stress können das Herz-Kreislauf-System belasten. Das vermutete und weiss die Menschheit schon lange. Denn bei psychischer Belastung klopft das Herz wie wild, der Puls steigt und Schmerzen in der Brust, Herzstolpern sowie Atemnot können auftreten. 

Ein Herz und eine Seele

Psychische Belastungssituationen wirken sich auf den ganzen Körper aus, hauptsächlich via Nervensystem und Stresshormone. Der Energie- und Hormonhaushalt sowie das Immunsystem verändern sich messbar. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass dabei die Entgleisung des Stresshormons Cortisol eine Rolle spielt. Zu hohe Cortisol-Spiegel begünstigen die Gefässverkalkung (Arteriosklerose) und damit Herzerkrankungen. Dies vor allem über den gesteigerten Blutdruck. Es ist bekannt, dass depressiven Menschen, bei denen stressregulierende Systeme wie das Hypothalamus-Hypophyse-Nebennierenrinden-System aktiviert sind, erhöhte Blutdruckwerte aufweisen. Bluthochdruck ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Depressionen und Herzprobleme


Deshalb ist es unbestritten, dass Depressionen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. PD Dr. med. Matthias Meyer, Leitender Arzt Kardiologie am Stadtspital Waid und Triemli, erklärt: ­«Depressionen steigern das Risiko für die koronare Herzkrankheit. Wir wissen zudem, dass sie generell die Prognose von Herzpatienten verschlechtern.» Aber auch das Gegenteil ist klar: «Eine Herzerkrankung wie zum Beispiel Herzinsuffizienz ­beeinflusst die Psyche der Betroffenen sehr stark», sagt Meyer. «Gleiches gilt für eine schwere Herzoperation und für langdauernde Spitalaufenthalte!»

Daher ist es sicher kein Zufall, dass ­Depressionen und koronare Herzkrankheiten gemäss Weltgesundheitsorganisation WHO im Jahr 2020 die weltweit häufigsten Ursachen für krankheitsbedingte Einschränkungen sein werden. Aber auch andere, länger bekannte Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Gerade während der Festtage zwischen Weihnachten und Neujahr treten Herzinfarkte statistisch gesehen am häufigsten auf. Diese Zeit im Jahr kann mit grosser Freude, aber auch Stress und trüben Gedanken wegen Einsamkeit verknüpft sein.

«Broken-Heart»-Syndrom

Eine spezielle Erkrankung zeigt die Nähe zwischen psychischer Belastung und Herzerkrankung ebenfalls sehr deutlich auf: das Syndrom des «gebrochenen Herzens». Dabei schlagen einschneidende, emotionale Erlebnisse oder eine schwere Krankheit aufs Herz. Grosse Wut oder Angst, tiefe Trauer, Streit, aber auch überschwängliche Freude oder physischer Stress können eine vorübergehende Herzschwäche verursachen. Fast immer sind Frauen betroffen. «Bei dieser akuten, temporären Schwächung des Herzmuskels erscheint ein Herzanteil in der Herzkatheteruntersuchung übermässig aufgebläht. Er ähnelt so einem japanischen Gefäss, das zum Tintenfischfang gebraucht wurde», erklärt Meyer. Dieses Gefäss nennen die Japaner Takotsubo. Das «Broken-Heart»-Syndrom heisst entsprechend auch «Takotsubo»-Syndrom. Typische Symptome sind Schmerzen im Bereich des Brustbeins und Atemnot – wie bei einem Herzinfarkt. Die Diagnose ­stellen Herzspezialisten mit einer Herz­katheteruntersuchung. Die Therapie im Spital kann mehrere Tage dauern. •