Fachhandel unter Druck – Probleme und Lösungen

Man weiss es: Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer kaufen paketweise im Ausland ein. Online und auf vier Rädern. Einst eher Lebensmittel und Kosmetik, heute die ganze Palette an Produkten und Dienstleistungen – neue Einkaufsgewohnheiten sind im Aufwind.
Hans Wirz 

Schweizer haben immer weniger Hemmungen, das allgemein sehr hohe Schweizer Preisniveau via Auslandeinkäufen zu umgehen.

Wird das Einkaufen im Ausland noch zunehmen oder ist der Höhepunkt erreicht? Die Antwort ist klar: Selbstverständlich wird das «Fremdgehen» noch häufiger. Zwei Faktoren beeinflussen die Szenerie im Besonderen: Europa und die Welt schwächeln auch wirtschaftlich, was tendenziell auf die Preise drückt; Produkte aus dem Ausland werden immer billiger. Zweitens haben die Schweizerinnen und Schweizer immer weniger Hemmungen, das allgemein sehr hohe Schweizer Preisniveau via Auslandeinkäufen zu umgehen; Direkt­importe sind selbstverständlich geworden. Dazu einige Überlegungen.

Verklebte Schaufenster

Kein Wunder, dass wohl hauptsächlich wegen den beiden erwähnten Faktoren jeder Vierte im Ausland einkauft. Für die Schweiz bedeutet das zunehmend zugeklebte Schau­­fenster – wortlose Todesanzeigen. Das signalisiert schlechte Kundenfrequenzen vor Ort, als zu hoch empfundene Preise, nicht mehr bezahlbare Laden­mieten, veränderte Einkaufsgewohnheiten. So hat etwa das Frick­tal 20 Prozent seiner Lebensmittelgeschäfte (ohne Metzgereien und Bäckereien) verloren – das nahe Deutschland lässt grüssen. Eine drohende Unterversorgung ist aller­dings nicht absehbar, Frequenz- und Umsatzverluste schon. Die Märkte sind ­allgemein gesättigt, auch im Bereich der Fach­geschäfte. Im Jahr 2010 lagen die ­Detailhandelsumsätze Schweiz bei 96,2 Mia.
Franken, 2018 noch bei 91,3 Mia. Franken.1, 2, 3, 7

FazitHealthPoint: Der Verlust von Lebensmittelläden ist ein deutlich negatives Signal in dem Sinne, dass gespart wird, wo möglich. Zudem verändern sich die Einkaufsgewohnheiten der Bevölkerung definitiv. Wohl nicht auch zuletzt, weil die berufliche Überlastung der Bevölkerung dauernd wächst – wenn nicht im Ausland, kaufen doch immer mehr Leute am oder nahe ihres Arbeitsplatzes ein. Es gibt also eine Verschiebung und Abwanderung von Kunden wegen (zu) hohen Preisen, aus Bequemlichkeit, ­wegen arbeitsmässiger Überlastung – Stress – und dem Reiz des Internets. Nicht unwichtig: Gleichzeitig steigen die Unkosten und sinken in immer mehr Branchen die Margen. Man kann sagen, dass sich ein Grossteil der traditionellen Ladengeschäfte in einer kommerziellen Abwärtsspirale befindet. Einfach mehr Unterhaltung und spezielle Verpflegungsangebote genügen auf die Dauer nicht, um Kunden in die Einkaufsmeilen zu locken. Es braucht neue Konzepte.

Die spezielle Karte

Eines dieser neuen Konzepte bietet La Chaux-de-Fonds: Eine Prepaid Card namens «Abeille» für die Einwohnerschaft, die damit bei rund 90 Anbietern einkaufen kann. Man redet von einer «neuen Währung», obwohl es sich nur um eine Gutscheinkarte in Plastikformat handelt. Immerhin will man damit das lokale Gewerbe in seinem Kampf gegen Kaufverluste unterstützen. Die Regierung sieht sich also auch als ­Verkaufsförderer. Das ist nicht überall in der Schweiz der Fall; das Lädelisterben sei Sache der Wirtschaft. Auch grosse Unternehmen (wie etwa Coop) bauen ­Laden-
­flächen ab. Nicht im Lebensmittel­bereich, aber in Spezialbereichen wie etwa Elektronik und Mode. Die Städte drohen zu veröden, Ballenberg lässt grüssen.3, 4, 5 

FazitHealthPoint: Auch der Fachdetailhandel lebt letztlich von einer interessanten Mischung von Anbietern. Ebenso die Kommunen. Es ist also zu erwarten, dass in nächster Zeit ganz neue Angebotsformen entstehen; grundsätzlich wird es sich um eine Stärkung durch neue Dienstleistungen handeln. Wir bleiben dran.

Amerika schaltet schneller

Das grosse Ladensterben findet ebenfalls in den USA statt, und es trifft auch die Grossen. In Shopping Centers sind zurzeit im Schnitt offenbar rund 10 Prozent der Läden zu: Ein Drittel der 1500 Shopping Centers haben ganz geschlossen. Wegen den Online­angeboten und dem allgemeinen Überangebot. Entsprechend fehlen Steuereinnahmen von Läden und Immobilien verlieren immer mehr an Wert. Vandalismus, Kriminalität, Verwahrlosung und Zerfall prägen vielerorts die Szene. Jetzt werden ganze Zentren radikal umgebaut für Bürobetriebe, Schulen, Mega-Kirchen und für Hightechfirmen. Aber auch zu ­Spitälern, Ärztezentren oder Schulen.1, 6

FazitHealthPoint: Inwiefern wird sich die Welt der Einkaufszentren in der Schweiz ­verändern? Wohl nicht so krass wie in den USA. Eher moderat wie im Shopping Center Stücki in Basel, das radikal verkleinert und mehr­heitlich neuen Zwecken zugeführt wurde – Büros, Praxen und Labors dominieren.

Zeitgeistiges

Als «Einkaufszentrum des guten Gewissens» wird eine spezielle Anlage in der schwedischen Kleinstadt Eskilstuna bezeichnet – dort werden nur rezyklierte Produkte angeboten. Und offenbar schreibt die Anlage damit schwarze Zahlen. Das erste Recycling-Shopping-Center der Welt bietet unter anderem Velos, Musikanlagen, Kleider, Computer und Möbel an. Gleichzeitig sind viele neue Arbeitsplätze entstanden; rezykliert wird vor Ort. Häufig sind die Arbeitskräfte aus verschiedensten Gründen anderweitig nicht vermittelbar. Das Zentrum fördert also nicht nur die Wiederverwendbarkeit, sondern hat gleichzeitig eine soziale Funktion. Arbeitgeber ist die Stadt.3

FazitHealthPoint: Die anstehende Vernetzung von Dienstleistungen – wie sie etwa im schweizerischen Gesundheitswesen ansteht – kann man weiterdenken und auf verschiedene Ebenen ausweiten. Wo liegen entsprechende Chancen? 

Die neue Bescheidenheit

Secondhandläden gibt es seit Langem auch in der Schweiz. Aber nicht wirklich in grosser Zahl. Jetzt steigen wohl die Umsätze: Onlineshops mit Luxusmode erobern das Netz. Was die hohen Preise und Gewinne im Luxussektor unterminiert. Firmen wie etwa The Real Real in New York wollen den Luxusmarkt revolutionieren, sprich popularisieren und umkrempeln: Luxusgüter werden billig. Die Versand­firmen stellen Experten an, um Echtheit garantieren zu können.1

FazitHealthPoint: Eine Grundtendenz: Obwohl die Preise beispielsweise für Gesundheit, den Nachwuchs, Gebühren und Dienstleistungen laufend steigen, will der Mittelstand doch «mit bei den Leuten sein», wenn es um Prestige geht. Zu den neueren Prestigesymbolen gehören auch Fitness und Gesundheit, sodass die entsprechenden Marktteilnehmer gute Aussichten auf Mehrumsätze und höhere Gewinne haben.

Überflutung

Man mag sich aufregen oder nicht, was aber als Folge des boomenden Versandhandels an Paketen in der Welt herumgeschickt wird, ist schockierend. So hat sich in den letzten fünf Jahren die Zahl der Kleinsendungen aus der asiatischen Welt fast verachtfacht. Die Post kommt mehrheitlich aus China und bringt die schweizerischen Behörden an den Rand der Belastbarkeit. Meistens wird mehrwertsteuerfrei und zu verbilligten Posttarifen geliefert, was einheimische ­Anbieter krass benachteiligt. Speziell, weil Pakete mit einem Wert von unter 65 Franken weder mehrwertsteuermässig noch durch Zölle belastet werden. Was dazu ­verlockt, in der Deklaration zu tiefe Verzollungswerte einzusetzen.1

  Fazit HealthPoint: Das ist freie Wirtschaft: Auch weil sogenannte Bagatellfälle gross­zügig «übersehen» werden, spart Staat zwar an administrativem Aufwand, schadet aber der einheimischen Wirtschaft – und zwar dauerhaft mit vielseitigen Folgen letztlich für die Steuerzahler.

Quellen: 1 NZZ am Sonntag, 2 Aargauer Zeitung, 3 NZZ, 4 Blick, 5 Radio 32,
6 Handelszeitung, 7 BAZ