Zurzeit scheinen die traditionellen unternehmerischen Rezepte veraltet. Speziell, wenn man über das Schwierige hinausdenkt, das uns kurzfristig fest im Griff hat. Traditionelles loslassen können wäre wichtig. Und: Flexibler werden.
Hans Wirz
Flexibler werden heisst: alte Rahmen verlassen und sich Neuem zuwenden.
Es lässt sich noch nicht erkennen, was auf uns zukommen wird. Deshalb müssen wir in verschiedenen Szenarien denken: Was läuft an Grundsätzlichem, wie können wir auf was regieren und agieren?
Weltweite Rezession
Das Gefühl, aus dem Nichts könne jederzeit eine weltweite Katastrophe hereinbrechen, kennen wir nun. Sind uns aber überhaupt noch nicht bewusst, was es letztlich für unser Unternehmen bedeutet. Ausser im Export sind viele Geschäfte nicht direkt vom Zustand der Weltwirtschaft abhängig, als Unternehmen in einem extrem auf das Ausland ausgerichtetes Land indirekt aber schon – eventuell sogar als Zulieferer oder Unterlieferanten. Um es direkt auszudrücken: Die Weltwirtschaft schlittert in eine elende Unsicherheit und weil internationale Lieferketten die Wirtschaft beherrschen, werden die meisten grundsätzlichen Entscheidungen irgendwo auf dem Planeten getroffen – nur nicht bei uns. Die Globalisierung – wie die gegenseitigen Abhängigkeiten genannt werden – wird zunehmen. Und damit die Abhängigkeit von Prozessen, auf die wir nicht den geringsten Einfluss haben. Sicher ist nur eines: Die Erholung von der weltweiten Rezession wird viele Jahre dauern. Entsprechend macht es auch für kleine und mittlere Unternehmen Sinn, die Zukunft auf verschiedene Szenarien auszurichten. Und sich entsprechende Investitionen genau zu überlegen.
Arbeitslosigkeit Schweiz
Obwohl sich die Schweiz rühmt, über das beste Gesundheitssystem der Welt zu verfügen, galt es wie überall auf der Welt in der Pandemie mit erheblichen Unsicherheiten und Fehlentscheidungen zu leben. Beispielsweise gab es keine nennenswerten präventiven Massnahmen seitens des Bundes, der Kantone oder der Spitäler. Aber was vor uns liegt, ist noch gravierender: Arbeitslosigkeit. Das zumindest wird erwartet, wenn die (bezahlte) Kurzarbeit entfällt. Schon Anfang April erhielten in der Schweiz täglich rund 1900 Personen ihre Kündigung. Gemäss Ökonomen dürften in der Schweiz rund 95 000 Stellen der Coronakrise zum Opfer fallen. Mit allgemein sinkenden Umsätzen, Erschwerung der internationalen Reisetätigkeit, massiven Rückschlägen in einzelnen Exportsektoren, Preiskämpfen und Ängsten vor der Zukunft muss buchstäblich gerechnet werden. Was nichts anderes bedeutet, als dass mit Bezug auf Mitarbeiterbestände Flexibilität einzubauen ist. Alarmismus ist allerdings nicht angezeigt, da die Schweiz top ist, wenn es um Kreativität geht.
Rabattschlacht
Der Versandhandel ist (auch) wegen des Lockdowns förmlich explodiert, im Ausland einkaufen bleibt beliebt, wird sogar an Volumen zunehmen. Die logische Folge davon ist eine anhaltende Rabattschlacht auch im Fachhandel, verbunden mit einer wachsenden Zahl von Betriebsschliessungen. Da kommt die Abstimmung zur Fair-Preis-Initiative zwar genau im richtigen Moment, aber selbst bei einer Annahme durch das Volk wird sich grundsätzlich wenig ändern. Was die Not ändern kann, ist weniger das hochgelobte «Einkaufserlebnis», sondern eher die Kombination von Produkten mit gefragten Dienstleistungen. Respektive die Entwicklung von neuen Dienstleistungen und effizienten Gesamtlösungen.
Ein Beispiel von Flexibilität
Längerfristiges Umdenken ist oft angezeigt, aber auch der kurzfristigen Flexibilität kommt ab sofort mehr Bedeutung zu. «Wir hatten die Absicht, Ende März mit einem neuen Dermatologie-Produkt auf den Markt zu gehen», so Product Manager Dominik Fähndrich bei Biomed AG. «Alles war detailliert vorbereitet, etwa die Aussendienstschulung. Dazu war der Product Launch mit einem breit angelegten Marketingmix gespickt und minutiös über eine lange Zeit erarbeitet worden. Aber es kam wegen der Corona-Pandemie ganz anders.» Die geplante zweitägige Schulung mit dem Aussendienst und viele weitere Aktivitäten mussten zuerst abgesagt und dann mit den gegebenen Umständen neu organisiert werden. «Mit viel Flexibilität und ohne zu wissen, wie lange die Situation anhält, mussten wir die Einführung verschieben, neu planen und im neuen Umfeld umsetzen.» Die Schulung wurde zum gleichen Zeitpunkt virtuell durchgeführt und stiess auch beim Aussendienst auf Anklang. «Einzig der fehlende physische Austausch war etwas gewöhnungsbedürftig.» Apotheken und Ärzte konnten vom Aussendienst während des Lockdowns nicht besucht werden, sodass auf alternative Kontaktformen umgestellt werden musste. Digitalen Kanälen kam dabei eine besondere Wichtigkeit zu. Biomed hat damit genau das getan, was von Marktteilnehmern vermehrt gefragt sein dürfte: in plötzlichen Veränderungssituationen flexibel und doch wirkungsvoll handeln. •