Ein gesunder Lebensstil hält nicht nur den Körper fit, sondern auch das Gehirn. Er beugt Burnout und Depressionen vor. Zudem unterstützt er eine antidepressive Behandlung.
Claudia Benetti
Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Sie erhöhen das Risiko für körperliche Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Probleme, Krebs wie auch das Risiko, frühzeitig zu versterben. «Eine wichtige Ursache für die verkürzte Lebenserwartung von depressiven Menschen ist der Suizid, eine auch bei Ärzten sehr häufige Todesursache», erklärte Professor Erich Seifritz, Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik in Zürich, kürzlich an einem Vortrag. Einen Hauptgrund für Suizid ortete er im Burnout-Syndrom – eine Anpassungsstörung an chronischen nicht bewältigbarem Stress.
Burnout und Depression gehen mit vielfältigen Beschwerden einher und lassen sich tatsächlich auch strukturell nachweisen. So ist das Burnout-Syndrom mit verkürzten Telomeren der Chromosomen assoziiert, die unter anderem ein Marker für die Zellfitness und Zellreproduktion sind. Die Depression wiederum geht mit einer Verkleinerung des Hippocampus einher. «Je länger eine Depression unbehandelt bleibt, desto kleiner wird das Hirnzentrum für Gedächtnis und Lernen», so der Experte.
Die gute Nachricht ist: Ein gesunder Lebensstil kann diesen degenerativen Prozessen vorbeugen. Eine Rolle spielt etwa der Schlaf. «Fast alle Patienten mit Burnout und Depression haben Schlafprobleme», sagte Seifritz. Diese fördern eine Reihe von körperlichen Erkrankungen wie Typ-2- Diabetes, Bluthochdruck und Gewichtszunahme. «Allerdings lässt sich bei Schlafmangel der Schlaf bis zu einem gewissen Grad nachholen», sagte der Referent. So verbessert eine «Sleep Extension die Insulinsensitivität und normalisiert endokrine Faktoren wie Leptin, ein Hormon, das an der Regulation des Hunger- und Sättigungsgefühls beteiligt ist. Bei Menschen mit Schlafmangel verändert das Ausschlafen am Wochenende oder in den Ferien zudem nachweislich das Ernährungsverhalten: Die Lust auf Süsses, Salziges und auf energiereiche Nahrungsmittel schwindet.
Sport senkt das Risiko für Depression
«Eine Wechselwirkung besteht auch zwischen mentaler Gesundheit und der peripheren Köperphysiologie», so der Experte. So produzieren Risikogene für Depression unter anderem Eiweisse, die auf die Muskelfunktion wirken. «Mit Sport lässt sich eine Depression nicht behandeln. Depressive Patienten profitieren aber von Kraft- und Ausdauertraining zusätzlich zu einer antidepressiven Therapie», erläuterte Seifritz.
Nachgewiesen ist auch eine präventive Wirkung: «Wer Sport treibt, erkrankt vom Alter deutlich weniger an einer Depression und auch einem Burnout-Syndrom.» Die Effekte sind altersunabhängig. «Wer also mit 50 Jahren über eine gute kardiorespiratorische Fitness verfügt, hat mit 65 Jahren ein um 16 % tieferes Depressionsrisiko und erkrankt vermutlich später auch weniger oft an einer Demenz.»
Diese Zusammenhänge lassen sich am Tryptophan-Stoffwechsel biochemisch nachweisen. Der Körper baut diese Aminosäure auf zwei Arten ab: Über den einen Weg entsteht eine toxische, neuroinflammatorische Substanz, über den anderen ein antientzündlicher Serotonin-Vorläufer mit neuroprotektiven Wirkung. «Wie der Körper Tryptophan abbaut, hängt von der Konzentration eines bestimmten Enzyms, der Kynurein-Aminotransferase (KAT) ab», erklärte Seifritz. Ist ihre Konzentration hoch, wird die Aminosäure über den neuroprotektiven Weg abgebaut, ist sie tief, erfolgt er über den neurotoxischen. «Wir wissen auch, dass Antidepressiva KAT im Hippocampus erhöhen.» Ein ähnlicher Effekt sei für
Kraft- und Ausdauertraining belegt: Dieses erhöhe die Genexpression für KAT und somit die KAT-Synthese im Muskelgewebe.
Mediterrane Kost schützt
Einen kleinen Einfluss auf die mentale Gesundheit hat im Übrigen auch die Ernährung. In Maus-Experimenten konnte gezeigt werden, dass eine fettreiche Ernährung zu einem depressiven Verhalten führt. Der Prozess war zudem umkehrbar: Wurden die Mäuse von fettreicher Diät wieder auf eine Normalkost umgestellt, normalisierte sich auch ihr Verhalten wieder. Für den Menschen wiederum ist belegt: Eine mediterrane Ernährung reduziert zusätzlich zu einer antidepressiven Standardtherapie die depressiven Symptome. «Wer wie viel Obst, Gemüse, Nüsse, Hülsenfrüchte und mit Olivenöl und Fisch viel Omega-3-Fettsäuren isst, kann zudem sein Risiko, an einer Depression zu erkranken, senken», führte Seifritz aus. Im Fischland Japan entwickelten denn auch deutlich weniger Menschen eine Depression als beispielsweise in Deutschland, wo nur selten Fisch auf den Tisch komme.
Quelle: 5. Symposium für Männerheilkunde.
10. Dezember 2019, Pfäffikon SZ.